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Symbolfigur Gaddafi

Libyen und der Westen

Libyen und der Westen

Ein Diktator, der die Bevölkerung seines eigenen Landes mit der Armee bekämpft, schafft sich wenig Freunde. Dennoch umgibt Oberst Gaddafi, der sich selbst Revolutionsführer nennt, eine Aura, die bei vielen Menschen in der arabischen Welt derjenigen von Che Guevara ähnelt. Auch im Westen hat Gaddafi Bewunderer, so äusserte sich z.B. der schweizer Intellektuelle Jean Ziegler mehrmals anerkennend, wenn es um die Person Gaddafis ging. Jean Ziegler ist ein differenzierter Mensch und seine Bewunderung hat berechtigte Gründe. Wenn heute in der Euphorie des Sieges über Gaddafi alle, die jemals etwas Positives über Gaddafi geäussert haben, in der Öffentlichkeit geächtet werden, ist das äusserst kritisch zu betrachten. Die Argumentation, die in diesem Artikel vertreten wird,  geht in die Richtung, dass es wichtige Gründe sind, warum Gaddafi bei vielen Menschen hohes Ansehen geniesst. Ohne in die Details gehen zu wollen, soll hier eine Übersicht über das Phänomen „Gaddafi als Symbolfigur“ aufgezeichnet werden.

Grund für die Bewunderung Gaddafis

Wenn die westlichen Alliierten heute berechtigterweise militärisch gegen das Regime Gaddafis vorgehen, so hat der Westen doch in der Vergangenheit eine sehr umstrittene und zwiespältige  Nahost- und Arabien Politik betrieben. Diese Politik zielte in ganz verschiedene Richtungen, meistens aber gegen die Interessen der jeweils lokalen Bevölkerung. Allem voran steht die blinde Unterstützung Israels mit der parallel laufenden Anprangerung und Benachteiligung der Palästinenser. Daneben wurden oftmals Regimes unterstützt, die ähnlich wie Gaddafi die Rechte der Bevölkerung mit Füssen traten, z.B. Iran unter dem Shah, Saudi-Arabien, Ägypten, Marokko, Kuwait, Bahrein oder dem Irak unter Saddam Hussain.

Diese politische Inkonsistenz des Rufes nach Menschenrechten und Demokratie des Westens bei gleichzeitiger Unterstützung anti-demokratischer Regime führte bei vielen Menschen der arabischen resp. in der ganzen islamischen Welt zu anti-westlichen Gefühlen. Auf diesem Nährboden konnte Gaddafi seine oft populistischen Parolen verbreiten und sich in Szene setzen als derjenige, der sich als einziger arabischer Machthaber nicht scheute, nicht nach der Pfeife des Westens zu tanzen. Das war und ist immer noch attraktiv. Das viele Geld aus dem Ölgeschäft hat es ihm zusätzlich ermöglicht, eine gut laufende Propaganda aufzuziehen und gleichzeitig Libyen zu modernisieren und so gleichsam den (Schein-)Beweis zu liefern, dass er ein modernen Herrscher zum Wohle seines Landes ist. Gaddafi provozierte den Westen auf vielfältige Weise u.a. mit Anschlägen, worauf der Westen mit harten Sanktionen reagierte und damit Gaddafi quasi zum lebenden Märtyrer machte. Auch das gehört zu einer Legende, provozieren und dennoch immer wieder heil aus Konflikten hervorgehen. Das wirkt und hat die Macht einen Diktator wie Gaddafi zum Helden zu stilisieren.

Nun scheint aber das Image von Gaddafi angeschlagen und auch die beste Propaganda kann nicht verschleiern, dass es sich bei Gaddafi eben einfach nur um einen Diktator handelt, der „sein“ Volk ausnutzt und der einem Menschenleben keinen hohen Stellenwert beimisst.

Historische Chance des Westens

Wenn der als Symbol für den Kampf gegen den „bösen“ Westen, Gaddafi, gerade von ebendiesem Westen angegriffen wird und dies mit Unterstützung der arabischen Liga und noch wichtiger von grossen Teilen der arabischen Bevölkerung erfolgt, so ist das eine einzigartige Chance auf einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen dem Westen und der arabischen Welt. Bedingung ist allerdings, dass sich jetzt auch der Westen anpasst und seine Unterstützung von Unrechtsregimen überdenkt und korrigiert. Hier miteingeschlossen ist eine Neuausrichtung der Israel/Palästina-Politik. Wenn dies gelingen sollte, so könnte der Fall des Symbols Gaddafi zu einer nachhaltigen positiven Kehrtwende in der politischen Landschaft der südlichen und östlichen Mittelmeer Anrainer (und darüber hinaus) werden.

Über David X. Meier

David X. Meier hat einen Master-Abschluss in Sozialanthropologie an der Universität Zürich. Einer seiner besonderem Interesse sind ethnopolitische Ereignisse und Spannungsfelder und die Hoffnung, dass das Bewusstsein um ethnische Fragen dazu beitragen wird, Frieden und Verständigung zu schaffen.

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